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Filippo Brunelleschi -
Genie, Scheitern und der ultimative Triumph

Im Februar 1426 ist die Domkuppel 17 Meter hoch. Jetzt neigen sich die Wände so sehr, dass die Ziegel nach innen rutschen müssten. Den Maurern muss angst und bange werden beim Blick in die Tiefe - ohne ihr gewohntes Gerüst unter sich. Ihnen bleibt nur das Vertrauen in Filippos Genialität. Die Wollmagnaten glauben an ihn: "Wir empfehlen immer noch kein Lehrgerüst", stellt eine Kommission fest.

Und Filippo belohnt das Vertrauen mit einem Geniestreich. Er lässt die Mauern im "Fischgrätmuster" errichten. Das ist altbekannt: zunächst werden Ziegel waagerecht gelegt, im Abstand von knapp einem Meter jeweils ein Stein senkrecht. So haben schon die Römer gebaut. Filippo aber hat erkannt: da die Mauern geneigt sind, bildet sich jeweils zwischen den senkrechten Steinen eine Art "Mini-Gewölbe". Damit wirkt der letzte Ziegel jeder Lage wie ein Schlussstein - und Schicht für Schicht entsteht eine stabile, selbsttragende Konstruktion.

Eine uralte Mauertechnik zu nutzen, um eine unmögliche Kuppel zu bauen - das ist Filippo Brunelleschis geniale Idee. Sie hat noch einen Vorteil: auch die Gewölbe selbst brauchen keinen Schlussstein mehr. So kann die Spitze der Kuppel offen bleiben - und durch den "Oculus" fällt Licht in die Kirche.

Aber auch der große Filippo hat seine Niederlagen. So will er etwa den Marmor-Nachschub revolutionieren. Die weißen Platten kommen aus den Steinbrüchen von Carrara, ihr Transport ist ungeheuer aufwendig: sie werden nach Pisa verschifft und von dort den Arno hoch nach Florenz geschleppt - der Fluss aber ist kaum schiffbar. Manchmal ist Marmor so knapp, dass die Opera selbst Vorräte für Grabsteine requiriert. Filippo wittert ein Geschäft und verspricht, zum halben Preis zu liefern. Er konstruiert ein monströses Amphibien-Fahrzeug, zugleich Lastkahn und Tieflader. Für den Entwurf bekommt er das erste Patent der Geschichte. Aber das Unternehmen wird eine gewaltige Pleite: schon bei der ersten Fahrt scheitert das Ungeheuer in den Sandbänken des Arno. Tonnen von teuerstem Marmor versinken - und Filippo verliert ein Drittel seines Vermögens.

Noch schlimmer trifft es ihn zehn Jahre später. Die Florentiner belagern ihre Nachbarstadt Lucca. Ein brillanter Plan soll ihnen endlich zum Sieg verhelfen: Filippo will einen Kanal graben und die Stadt einfach fluten. Aber die Idee geht nach hinten los: er setzt auch das eigene Lager unter Wasser. Die Florentiner müssen einen überstürzten Rückzug antreten - und Filippo bekommt nie wieder einen militärischen Auftrag.

Das tut aber seinem Ruhm keinen Abbruch mehr. Sein Lebenswerk ist vollendet. Am 25. März 1436 weiht Papst Eugen IV. die neue Kathedrale Santa Maria del Fiore. Der kleine Pippo Brunelleschi, der einst im Schatten der Ziegelmauern gespielt hat, hat das Unmögliche geschafft.

Noch einmal muss er sich einem Wettbewerb stellen. Denn noch fehlt die Bekrönung der Kuppel: die Laterne. Diesmal aber gewinnt Filippo den Auftrag mit Leichtigkeit. Den Meistern der Domopera ist klar, dass die Laterne schon statisch ein wichtiger Teil der Kuppel ist. Sie darf nicht zu schwer sein - aber sie muss andererseits so schwer sein, dass sie die Gewölbe zusätzlich stabilisiert.

1445 beginnt der Bau der Laterne, aus Carrara-Marmor und noch einmal zwanzig Meter hoch. Vollenden aber wird sie erst Brunelleschis Nachfolger - jener Antonio Manetti, dem wir dessen erste Biographie verdanken. Im Jahr nach dem Baubeginn seiner Laterne stirbt Filippo überraschend, noch nicht einmal siebzig Jahre alt. Ganz Florenz trauert.

Filippo Brunelleschi war der erste Baumeister der Geschichte, der schon zu Lebzeiten als großer Künstler verehrt wurde - und der erste, der nie in einer Bauhütte gelernt hat. Nicht auf überlieferte Techniken bauen, sondern auf seine eigenen Konstruktionen - seines Genies bewusst und immer um seinen eigenen Ruhm bemüht: all das hat nichts mehr mit der totalen Frömmigkeit des Mittelalters zu tun. Brunelleschi war der erste moderne Architekt. Und einen Rekord hält er bis heute: er hat die größte gemauerte Kuppel aller Zeiten geschaffen. Die Kuppel des Kapitols in Washington etwa ist beinahe ein Drittel kleiner.

Natürlich wird Filippo in seinem Dom begraben - sein Grab aber gerät in Vergessenheit. Erst 1972 wird es bei Ausgrabungen wieder entdeckt.